Die Neufassung der Trinkwasserrichtlinie der Europäischen Union (2020/2184) ist am 12. Januar 2021 in Kraft getreten und verpflichtet die Kommission, innerhalb von drei Jahren eine Methodik zur Messung von Mikroplastik im Trinkwasser zu verabschieden. Zur Unterstützung dieses Mandats führte die Gemeinsame Forschungsstelle (GFS) eine umfassende Überprüfung der wissenschaftlichen Literatur und ihrer eigenen Erfahrungen durch, um die Art, die Verteilung und die Mengen von Mikroplastik im Trinkwasser zu bewerten und Analysetechniken zu evaluieren, die in einen Überwachungsrahmen integriert werden könnten. Bei der Überprüfung wurden drei Hauptkategorien von Instrumenten ermittelt: Fluoreszenzmikroskopie, optische Mikrospektroskopie (Raman und Infrarot) und thermoanalytische Methoden wie Pyrolyse und thermische Extraktion und Desorption in Verbindung mit Gaschromatographie/Massenspektrometrie (GC/MS). Jede Technik bietet unterschiedliche Vorteile und Einschränkungen. Die Fluoreszenzmikroskopie ermöglicht ein schnelles Screening und kann Partikel bis hinunter zu einigen Mikrometern aufspüren, aber sie kann den Polymertyp nicht identifizieren. Raman- und Infrarotspektroskopie können die Polymerzusammensetzung bestimmen und Partikel bis zu einer Größe von 1 µm aufspüren. Sie sind jedoch durch die Notwendigkeit eines klaren optischen Zugangs eingeschränkt und können bei großen Probensätzen zeitaufwändig sein. Thermoanalytische Methoden liefern massenbasierte Messungen und können Polymertypen quantifizieren. Sie erfordern jedoch eine vollständige Verbrennung oder Extraktion der Probe und sind für die Partikelzählung weniger geeignet. In dem Bericht wurden auch Leistungsdaten aus Laborvergleichen zusammengestellt, darunter eine JRC/BAM-Studie über Polyethylenterephthalat (PET) in Wasser, ein Vergleich des Southern California Coastal Water Research Project (SCCWRP) und eine Bewertung des Deutschen Zentrums für Wassertechnologie. Diese Untersuchungen haben gezeigt, dass die Anzahl der Konzentrationen von Mikroplastik und Fasern im Trinkwasser fünf Größenordnungen umfasst und typischerweise zwischen 0,01 und 100 Partikeln pro Liter liegt. Europäische Studien berichten meist über Konzentrationen unter 1 Partikel pro Liter, während die globalen Daten in einigen Regionen höhere Werte aufweisen. Die Überprüfung hat ergeben, dass es in der derzeitigen analytischen Landschaft keine einzige harmonisierte Methode gibt, die gleichzeitig eine hohe Empfindlichkeit, Partikelgrößenauflösung, Polymeridentifizierung und einen für die Routineüberwachung geeigneten Durchsatz bietet. Es gibt zwei teilweise relevante Standards: ASTM D8332-20, in der die Verfahren zur Probenahme beschrieben werden, und ISO 24187, in der Grundsätze für die Probenahme, die Aufbereitung und den Nachweis festgelegt sind, aber keine der beiden Normen wird den besonderen Anforderungen der Trinkwasserüberwachung gerecht.
Das Projekt wurde von einem multidisziplinären Team von GFS-Wissenschaftlern – Susanne Belz, Claudia Cella, Otmar Geiss, Douglas Gilliland, Rita La Spina, Dora Mehn und Birgit Sokull-Kluettgen – durchgeführt, die die Literaturrecherche, die Datensynthese und die Validierung zwischen den Laboren koordinierten. Die Zusammenarbeit erstreckte sich nicht nur auf die GFS, sondern auch auf nationale und internationale Partner. Die deutsche Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) trug zur PET-Laborvergleichsstudie bei, während das Southern California Coastal Water Research Project Vergleichsdaten aus den Vereinigten Staaten zur Verfügung stellte. Das Deutsche Zentrum für Wassertechnologie lieferte zusätzliche Validierungsdaten und Einblicke in praktische Probenahmeprotokolle. Diese Partnerschaften ermöglichten eine gegenseitige Validierung der Methoden und erleichterten den Austausch bewährter Verfahren. Die Initiative wurde von der Europäischen Kommission im Rahmen der Neufassung der Trinkwasserrichtlinie finanziert und spiegelt das Engagement der EU wider, sicheres Trinkwasser durch evidenzbasierte Überwachung zu gewährleisten. Die Ergebnisse der Überprüfung bilden die technische Grundlage für die künftige Methodik der Kommission. Sie dienen als Richtschnur für die Auswahl der Messgrößen – Masse oder Anzahl -, der Partikeldeskriptoren wie Größe, Form und Polymertyp sowie der Wahl der Analysetechniken, die ein Gleichgewicht zwischen Empfindlichkeit, Durchsatz und Kosten herstellen.
